Hallo Ihr Lieben,
weil
ich in der Quarantäne gerade zuhause sitze, habe ich Zeit, mal einen ganz
anderen Brief "zu schreiben".
Ich
hab (anstatt nur immer zu empfehlen, wie lesenswert ist, was sie schreibt)
einfach mal übersetzt, was Kim vor einer Stunde auf ihrer
Website veröffentlicht hat
Liebe
Grüße
Matthias
Flüchtlinge
Von
Kim Johnson, https://www.wideawakefamily.
Heute
schreibe ich von einer Kirche in Kaufbeuren, Deutschland. Wir sind im kleinen
Spielzimmer und Evie spielt mit einer Tasche von Spielzeug, das wir von zuhause
mitgebracht haben. Wenn man aus dem Krieg flieht ist es dringend zu empfehlen,
eine Tasche voller Barbies mitzunehmen …
Letzten
Samstag, am 05. März haben wir den unvorstellbaren Entschluss getroffen, unser
Heim zu verlassen – ohne zu wissen, wann wir wieder zurückkommen würden. Die
Bombardements in unserer Stadt wurden regelmäßiger und es wurde immer klarer,
dass die Russen auch einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung führen. In der
Ukraine ist es im Moment nirgendwo sicher. Wir haben wirklich mit dem
Entschluss gerungen und waren eigentlich entschlossen gewesen uns zuhause zu
verstecken und es auszusitzen aber die nächtlichen niedrigfliegenden Flugzeuge,
die Luftschläge, die das Hauserschütterten und jedes Mal den Autoalarm losgehen
ließen, haben dazu geführt, dass wir unsere Pläne noch einmal überdacht haben.
Wir sind für einige der verwundbarsten Menschen der Ukraine verantwortlich und
unsere Jungs können uns noch nicht einmal erzählen, wie sich angesichts des
Krieges fühlen. Tatsächlich können sie unsere Anspannung fühlen, können die
Angst in unseren Gesichtern sehen, aber wirklich verstehen können sie nicht.
Und sie konnten uns nicht danach fragen, sie bitte in Sicherheit zu bringen,
deswegen mussten wir für sie entscheiden. Ich sage euch, nie in einer Million
Jahren hätte ich mir vorstellen können, im Flur unseres Hauses zusammengeduckt
mit meinen Kindern zu sitzen, während das ganze Haus von Explosionen in einiger
Entfernung erschüttert wird. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass Jed und
ich damit ringen, dass es zu spät sein könnte, mit unseren Kindern sicher da
rauszukommen wenn die Kämpfe noch näher kommen. Ich hätte mir niemals träumen
lassen, dass wir fliehen würden aus dem Heim, das wir mit so viel harter Arbeit
zu einem sicheren Hafen für jeden, der zu uns kam, ausgebaut haben. Aber: hier
sind wir jetzt eine Woche später, Flüchtlinge in einem Land, in dem wir die
Sprache nicht verstehen und keinen Plan haben, wie es weitergehen soll. Es ist
für alle unvorstellbar.
Es
sind 36 von uns jetzt hier in Deutschland. Zur Gruppe gehören 10 Menschen mit
Behinderung und 14 sind Teens oder Kinder. Der Rest sind Team- und
Familienmitglieder unseres Teams. Alle leben wir zusammen in einer Kirche, die
uns mit offenen Armen aufgenommen und uns unglaubliche Liebe und Großzügigkeit
gezeigt hat. Ich wüsste nicht, wo wir ohne sie wären. Sie haben unsere Evakuierung
ermöglicht, weil wir wussten, dass es einen sicheren Ankunftsplatz gibt. Wir
werden ihnen immer dankbar sein.
Zuhause
in der Ukraine ist der Rest unseres Teams damit beschäftigt, unsere Heimat zu
bewahren, aufeinander Acht zu geben und in Zusammenarbeit mit Stadt und Dorfrat
humanitäre Hilfsgüter in unserer Region zu verteilen. Außerdem gibt es 3 Mamas
mit erwachsenen Kindern mit Behinderung, die zu unserer Wideawakefamily dazu
gehören und im Haus wohnen. Ich bin so stolz auf unser Team: hier und dort in
der Ukraine. Die Arbeit, die sie tun ist wichtig und notwendig.
Früher
als wir in den USA gelebt haben habe ich viele Flüchtlinge getroffen. Ich denk
mal, ich war freundlich zu ihnen, aber, um ehrlich zu sein, all zu viel über
sie nachgedacht habe ich nicht. Ich denke mal, ich habe einfach angenommen,
dass sie glücklich und dankbar sind, in den Staaten sein zu dürfen. Ich wusste,
sie brauchen anfangs Unterstützung dabei, ihre körperlichen Bedürfnisse zu
befriedigen – aber ihr gefühlsmäßiges Befinden hatte ich nicht wirklich auf dem
Schirm. Ich hatte keine Ahnung, wie emotional zerstörerisch es ist, Flüchtling
zu sein. Noch nie in meinem Leben habe ich solche Traurigkeit erlebt. Keine
Ahnung, wie ich es sonst beschreiben soll, außer: Ich bin tief, tief traurig,
vernichtet von diesem Verlust und sogar unsicher wie ich anfangen soll zu
trauern oder weitermachen. Ich hänge fest in meiner Traurigkeit, das verloren
zu haben, was war. Ja, ich gräme mich um die Sachen, unser Haus, das Doppelhaus,
unsere Hunde – aber noch mehr gräme ich mich um den Verlust unseres Alltags,
der niemals mehr der gleiche sein wird. Ich erinnere mich an die Nacht bevor
wir gegangen sind, ich saß auf der Couch mit meiner Hava und sie weinte. Sie
sagte: „Mir wird gerade klar, dass unser Leben niemals wieder so sein wird, wie
es einmal war.“ Gerade als sie dieses Satz beendet hatte wurde unser Haus von
einer Explosion in der Ferne erschüttert. Ja, wir waren tatsächlich in eine
neue Realität hinübergewechselt: Ein Davor und ein Danach. Grade noch haben wir
wieder einmal einen Geburtstag im Doppelhaus gefeiert mit unserer
Wideawakefamily, die Kinder waren dabei, sich auf den Weg zu machen zu ihrer
Jugendgruppe, wir haben abendliche Hausarbeiten gemacht, haben Evie in der
Vorschule abgesetzt, die sie so sehr mochte, Lebensmittel eingekauft und
Individualschulungen für unsere Jungs geplant – und eine Woche später sehen
wir, wie der Himmel aufleuchtet und Gebäude in unserer Stadt von russischen
Raketen zerstört werden. In ganz kurzer Zeit sind wir von der Planung der Bespaßung
unserer Jungs zur Planung der Evakuierung von 36 Menschen über die Grenze
gewechselt. Das fühlt sich immer noch nicht real an.
Flüchtling
sein bedeutet, alle Hoffnung und Träume zu pausieren und nicht zu wissen wann
oder ob überhaupt du sie wieder aufgreifen kannst. Flüchtling sein bedeutet,
sich voll und ganz auf Freundlichkeit und Großzügigkeit anderer zu verlassen.
Flüchtling sein bedeutet Verlust, Trauer und Schmerz. Da ist Erleichterung,
dass deine Kinder sicher sind, aber auch Schuld, dass du so viele zurück
gelassen hast. Es heißt, damit zu Recht kommen zu müssen, dass niemand dich
verstehen wird, weil du dich selbst ja nicht einmal verstehst. Es heißt, sich
bewusst zu werden, dass deine Kirche über einen ganzen Kontinent verteilt
wurde, nicht zu wissen, wo der Einzelne ist, wann du jemals wieder an einem
Platz zusammenkommst – oder ob überhaupt. Flüchtling zu sein bedeutet, den
Kindern immer wieder zu versichern, dass alles gut wird, auch wenn du weißt,
dass du ihnen das gar nicht versprechen kannst. Das Leben hat dir schon
gezeigt, dass nicht alle gut ist – und für lange Zeit nicht mehr gut sein wird.
Wir hatten etwas so Wunderbares und jetzt ist es verloren. Jetzt versuchen wir,
das wieder zu erschaffen, hier an einem neuen Platz. Wir tun das für unsere
Jungs, für unsere Kinder. Wir gehen zu Picknicks, kochen Eintopf und spielen
Spiele. Wir umarmen uns, beruhigen und trösten uns. Wir versuchen zu leben,
nicht nur zu existieren, nicht nur darauf zu warten, dass wir endlich wieder nach
Hause können. Genau darin liegt unser Kampf.
Aber:
Wir glauben, dass wir wieder nach Hause kommen. Wir glauben, dass die Ukraine
siegreich sein kann. Wir glauben, dass das Licht die Dunkelheit besiegt, das
Gute das Böse überwindet. Wir glauben, dass unsere Soldaten die tapfersten und
stärksten sind. Wir glauben, dass unser Präsident der bestes ist, den es je gab
oder geben könnte. Und wir glauben daran, dass die Arbeit, die Gott in der
Ukraine begonnen hat, weitergeht. Deswegen haben wir Hoffnung.
Danke,
dass ihr uns liebt, für uns betet, spendet und zu uns Kontakt aufnehmt und
Hilfe anbietet. Bitte erinnert euch an die Ukraine. Betet für den Sieg und dass
er bald kommt.
BeLOVE[d]
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