Die Reaktion, die seine Selbstverletzung in mir auslöst, ist
überraschend. Es ist peinlich und hässlich zugleich, aber es ist das wahre
Leben und wir sind einfach echte Menschen. Niemand von uns ist perfekt - am
aller wenigsten ich. Mir wurde schnell klar, wie sehr ich Boris‘ selbstverletzendes
Verhalten oder das Fehlen davon als Ausdruck meines persönlichen Erfolgs oder
Misserfolgs sehe.
Wenn er sich nicht selbst verletzt fühl ich mich gut und warm,
aber wenn er sich selber schlägt, merke wie ich mich ärgere, ungeduldig werde
oder sogar ekle. Und Jed sitzt einfach da wie ein Zen-Meister….. grrrrr.
Klar möchte ich nicht, dass Boris sich selber verletzt! Aber es
ist demütigend zu erkennen, wie schnell meine Gedanken sich in diesen Momenten
weg von Ihm hin zu mir selber bewegen.
Ich habe das Gefühl zu
versagen. Ich fühle Ekel. Ich bin ungeduldig. Ich frage mich, ob ich das wirklich auf lange Sicht machen kann. Ich, ich, ich ….
Mitgefühl
und Einfühlungsvermögen haben keine Möglichkeit in einem Raum zu wachsen, der
von Selbstsucht und Selbstmitleid erfüllt ist.
Es scheint, als sei Boris nicht der einzige, der Heilung
braucht.
Die Zerbrochenheit von Boris, offenbart die gebrochenen Orte in
unseren Herzen.
In dem wir seine körperlichen Bedürfnisse erfüllen, die er
selber nicht erfüllen kann, finden wir Heilung. Auf der Suche nach Frieden für
Herz und Geist von Boris, müssen wir uns auf den Heiligen Geist verlassen. Wir
brauchen seine Weisheit so sehr. Wir brauchen Kraft, Geduld und Liebe, die nur
von oben kommen kann.
In den harten Momenten ist es einfach, sich zu fragen ob es
immer so sein wird. Werden die Dinge erst schlimmer und dann besser? Oder
werden die Dinge erst schlechter und bleiben dann so? Niemand kann es sagen.
Aber macht es denn einen Unterschied? Ist Boris dadurch weniger wert? Lohnt
sich das JA nur, wenn es offensichtlich erfolgreich ist?
Was, wenn wir in zwanzig Jahren immer noch zu zweit sein müssen,
um Boris die Windeln zu wechseln, nur um ihn sicher zu halten? Was wird meine
Seele in solchen Momenten singen? Werde ich Zufriedenheit gefunden haben, im
einfachen Akt des Dienens? Werde ich sagen können „Es tut meiner Seele gut“,
oder werde ich bitter und nachtragend sein, dass mein Leben diese Wendung
genommen hat?
Je früher wir lernen, im Geist unterwegs zu sein, desto besser –
für uns, für unsere Kinder und für Boris. Je früher wir aufhören auf unsere
eigenen Erfolge und Misserfolge zu schauen und Freude an der einfachen Handlung
der Fürsorge zu haben, desto besser.
Das ist eine Reise, die wir nicht aus eigener Kraft antreten
können. Wir würden es total vermasseln. Also lernen, atmen und (hoffentlich)
ändern wir etwas, Tag für Tag.
(noch eine Fortsetzung folgt)
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